Unsichtbar Teil 1
Ich arbeitete als Wissenschaftsjournalist in Berlin. Wildschutz durch Computer, Gesichtsscanner am Flughafen, Geothermiekraftwerk in Brandenburg – die Themen fanden sich im gleichen Maße leicht, wie sie schwer zu verkaufen waren. Meine Beiträge versuchte ich auf den Wissenschaftsseiten der Tageszeitungen unterzubringen, aber die Konkurrenz war groß, das Geld knapp, die Arbeit unbefriedigend. Und im heißesten Frühling seit Beginn der Wetteraufzeichnungen (darüber musste man einfach eine Reportage schreiben, das dachten sich jedenfalls meine Konkurrenten) machte sich der Frust über meine berufliche Situation auch in meiner Beziehung zu meiner langjährigen Freundin Julia bemerkbar.
Es war der Abend vor einer neuen Recherche, als sie ihre Koffer packte und aus unserer stickigen Wohnung auszog. Der Schnitt, so überraschend er auch gezogen war, folgte einer schmerzvollen Konsequenz. Julia hatte sich nicht in einem Ausbruch von Wut und Enttäuschung für die Trennung entschieden: Dieser Schritt war wohlüberlegt. Kein Heulen, kein Flehen ging unserem Abschied voraus. Mit einer nüchternen Analyse, wie ich sie von Julia nie erwartet hatte, bilanzierte sie die letzten sechs Monate und zog daraus den logischen Schluss.
Vor einem Jahr waren wir beide zu Minensuchern geworden, und der andere war das Minenfeld. Jede falsche Bewegung löste eine Explosion aus und nahm sich mehr von unserer Liebe. Am Ende waren wir uns fremd. Früher wollte ich mich ändern, sensibler mit ihr umgehen, und früher wollte Julia sich ändern, nicht so sensibel reagieren. Doch um beim Bild zu bleiben: Meine Hände begannen immer mehr zu zittern, und ihr Zünder reagierte immer sensibler auf falsche Bewegungen. Ich war zu ungeduldig mit ihr, unbeherrscht, und war doch nur unzufrieden mit mir selbst. Als Julia ging, brach die Welt noch nicht zusammen. Das tat sie erst ein paar Stunden später in der Hitze der Nacht. Ich hatte gesoffen, in der Kneipe die Straße runter, und dann den Rest der Nacht im Internet nach Pornos gesucht, bis mir die Hand weh tat. Der Alkohol betäubte nur meinen Schwanz, nicht den Schmerz.