Small Talk
Die meisten seiner Bekannten hätten Joseph als mindestens wortkarg bezeichnet. Zuhören und alles was damit zu tun hatte, fand er deutlich spannender.
Deshalb fuhr Joseph lieber mit dem ICE, wo man seinen eigenen Platz haben konnte. Aber der Bus war einfach billiger gewesen. Auch mit vierundvierzig durfte man mal etwas Neues ausprobieren.
Die Frau neben ihm, geschätzt Ende dreißig, hatte den Bus nur knapp erwischt. Der Fahrer hatte die Tür schon geschlossen, aber nach ihrem bezauberndem Lächeln wäre wohl nur ein blinder Eisbär ohne sie losgefahren.
Die Frau setzte sich neben Joseph auf den letzten freien Platz, schenkte auch ihm ein Lächeln und vertiefte sich in ihr Buch, offenbar eine billige Romanze, vermutlich aus Langeweile im Kiosk am Busbahnhof gekauft. Vor einer Viertelstunde war sie ihm dort das erste Mal aufgefallen. Sie hatte eigentlich nicht gewirkt wie jemand, der gleich in einen Bus steigen würde. Mit der Zeitung an der Kasse hatte er ihren Blick auf sich gespürt, ohne weiter darüber nachzudenken. Klar, der erste Lack war auch bei ihm ab, aber von seiner Jugendschwimmerkarriere war genug übrig. Während er zum Bus hinüber gegangen war, hatte er sie hinauseilen, zum Ticketcounter hasten und von dort zum Bus sprinten sehen. Als sie ihre Jacke auszog, fiel ihm durchaus auf, dass die Formen unter ihrem engen Pullover nicht nur die Augen eines durchschnittlichen Mannes erfreuen würden. Aber Joseph interessierten Brüste nicht sonderlich. Die waren doch immer mehr oder minder gleich – prall oder platt, hängend oder fest, große Warzen, kleine Warzen, nicht sehr aufregend. Viel spannender fand Joseph … nun ja, leider hatte sie lange schwarze Haare, … man konnte nicht alles haben. Aber warum nicht den sichtbaren Rest genauer betrachten? Die Frau bemerkte es, lächelte still ohne den Blick zu heben.
Noch bevor sie Berlin verließen, begann es zu nieseln.
Kleine Tropfen bedeckten die Scheibe. Am oberen Rand landete gerade wieder einer, etwas dicker. Er rutschte abwärts, ein kleinerer langsam hinterher. Doch immer, wenn dieser den dicken nahezu erreicht hatte, zog der seine Bahn weiter. Der Fahrtwind trieb Nummer zwei aus der Richtung. Nummer eins blieb an ihrem Platz und ruhte dort, bis die zarte Nummer zwei sanft vorüberzog.