Gedanken einer Dame
Stell Dir vor, Du wachst auf und versuchst deine Augen zu öffnen. Du bemerkt allerdings, das sie verbunden sind und Du nichts sehen kannst. Als Du versuchst, etwas zu hören, spürst Du, das deine Ohren ebenfalls verschlossen sind und so auch dein Gehör ausgeschaltet ist. Du wirst unruhig, nervös, ängstlich. Nachdem eine Zeit lang nichts passiert, versuchst Du, deinen Atem zu beruhigen und beginnst herauszufinden, was geschehen ist. Nachdem Augen und Ohren ausfallen, musst Du Dich voll und ganz auf die Berührungen, die Du auf deinem Körper spürst, verlassen. Du fühlst, das Du auf allen Vieren bist, deine Beine gespreizt und deine Arme schulterbreit auseinander stehen. Als Du versuchst, Dich zu bewegen bemerkst Du, das deine Handgelenke und Knöchel fest gezurrt sind. Auch den Rest deines Körpers kannst Du nicht bewegen. Ebenso wenig deinen Kopf, der so festgemacht ist, das Du gerade aus siehst. Du bist in dieser Stellung fixiert, ausgeliefert, bewegungsunfähig und weit geöffnet. Wieder überkommt Dich das Gefühl der Angst, das Du diesmal aber schneller wieder in den Griff bekommst. Du versuchst noch einmal, etwas zu hören, doch es ist sinnlos, deine Ohren sind fest verschlossen.
Weiter versuchst Du, mehr über deine Lage herauszufinden. Du spürst, das ein Knebel deinen Mund offen hält. Als Du versuchst, ihn zu schließen, ist es Dir unmöglich, deine Lippen auch nur einen Millimeter zu bewegen. Du fühlst den Speichel, der Dir langsam aber stetig aus deinem geöffneten Mund fließt. Mittlerweile muss eine kleine Pfütze unter deinem Kopf sein, denn Du spürst auch, das Du auf einer Art Platte fixiert bist, deren Ränder Du eben gerade mit deinen Finger- und Zehenspitzen ertasten kannst. Du spürst keinerlei Kleidung auf deinem Leib, Dir ist aber auch nicht kalt, die Luft um Dich herum ist angenehm warm. Es riecht nach Kerzen, vielen Kerzen, die langsam abbrennen.
Die Zeit vergeht, ohne das etwas passiert. Du spürst weder jemanden in deiner Nähe, noch wirst Du berührt. Es gibt keinerlei Anzeichen von einer anderen Person. Wie lange Du schon in dieser Lage bist, kannst Du nicht sagen. Auch die Zeit, die seit deinem Erwachen verstrichen ist, kannst Du nicht bemessen. Du beginnst Dich zu fragen, was passiert ist, wie Du in diese Lage gekommen bist, wer Dich dort festgebunden hat. Ungewissheit und ein wenig Wut macht sich in Dir breit, Du versuchst, an den Fesseln zu reißen, sie zu lockern, Dich zu bewegen. Doch alle deine Bemühungen und Versuche sind zwecklos. Du bist, wie Du langsam beginnst zu erkennen, hilflos, ausgeliefert, machtlos. Eine Träne kullert Dir über deine Wange, nicht vor Trauer, sondern vor Wut und Ärger über die Unwissenheit.
Kurz bevor die Träne von deiner Wange auf den Boden fallen würde, spürst Du plötzlich eine Fingerspitze, die sie von deiner Wange wischt. Erschrocken zuckst Du zusammen. Du bist also nicht alleine, Du versuchst, etwas zu sagen, zu schreien, doch Du spürst das der Knebel Dir verständliches Sprechen unmöglich macht. Noch einmal versuchst Du Dich verzweifelt, loszureißen, willst diesen jemand anspringen, ihn schlagen, treten, niedermachen. Du würdest alles tun um herauszufinden, wo Du bist und vor allem warum. Doch wieder stellst Du fest, das es zwecklos ist. Und wieder vergeht eine gefühlte Ewigkeit, ohne das etwas passiert. Du fühlst Dich erschöpft, machtlos, besiegt. Dein Wille zum Wiederstand beginnt, zu brechen und langsam ergibst Du Dich in diese Situation. Als die Anstrengung von Dir abfällt, wirst Du müde, schläfrig und willst nur noch schlafen.
Doch kurz bevor der wohlige Schlaf Dich überkommt, spürst Du plötzlich wieder eine Berührung auf deinem linken Ohr. Wieder zuckst Du zusammen, doch die Berührung, eine Hand vielleicht, bleibt weiter auf deinem Ohr liegen und plötzlich fühlst Du wie dein linkes Ohr von der Taubheit befreit wird. Du versuchst sofort wieder zu rufen, zu schreien, doch jetzt hörst Du und wirst Dir sicher, das der Knebel ein Sprechen unmöglich macht. Deine unverständlichen Wortfetzen dröhnen in deinen Ohren, sie müssen schon länger verschlossen gewesen sein. Dein ganzer Körper spannt sich an, Du bist ungewiss, was nun kommt. Kurze Zeit geschieht nichts, dann spürst und hörst Du den Atem einer anderen Person an deinem Ohr. Du sagst nichts, regst Dich nicht und verharst neugierig und ängstlich, wartend darauf das endlich etwas passiert.
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