Der Nachbar (1)
Cleo drehte das Wasser ab und trat aus der Duschkabine. Sie rubbelte sich trocken und genoss das weiche Tuch auf ihrer Haut, trocknete ihre Haare und wickelte es um ihren Kopf wie einen Turban. Sie betrachtete sich kurz im Spiegel und legte ihre Hand prüfend auf ihre Brust, zog sie leicht nach oben. Mit ihren 38 Jahren sah sie immer noch gut aus, aber sie fühlte sich je länger je mehr verunsichert. Ihre Brüste waren fest und ihre Haut zart und weich, aber sie wusste, dass ihre Schönheit nicht ewig währen würde. Mit einem Seufzen drehte sie sich um und ging in ihr Schlafzimmer.
Sie stellte ein Bein aufs Bett und verteilte grosszügig Lotion auf ihrem Oberschenkel. Wie jeden Tag nahm sie etwas Lotion vom Bein, begann zuerst mit ihren Armen, dann rieb sie die Flüssigkeit über ihr Dekolleté und ihre Brüste, über ihren Bauch. So gut es ging versuchte sie ihren Rücken einzucremen und schliesslich massierte sie ihre Beine und ihren Hintern ein. Sie genoss dieses Ritual, das sie täglich nach dem Duschen in immer gleicher Art und Weise durchführte. Manchmal, wenn sie in Stimmung war und Zeit hatte, dann stellte sie sich vor, dass es die Hände ihres Ex-Freundes waren, die sie eincremten und der Gedanke erregte sie jedes Mal aufs Neue. Oft legte sie sich dann aufs Bett, schloss ihre Augen und begann sich zu streicheln. Sie wusste genau wie sie ihre Fantasie je nach Stimmung variieren konnte und während die Vorgeschichte immer die Gleiche war, so wechselte der erotische Teil von sanft und zärtlich über roh und wild bis zu aussergewöhnlich und magisch, je nachdem wie sie es gerade haben wollte.
Doch heute hatte sie noch einen Termin, also blieb es beim normalen Ritual ohne Extras. Kurz bevor sie mit Eincremen fertig war blitzte etwas in ihrem Augenwinkel auf. Sie drehte den Kopf zum Fenster und realisierte im Bruchteil einer Sekunde, dass sie vergessen hatte die Rollläden herunterzulassen. Das Nachbarhaus war etwas erhöht und vom Bürofenster des Nachbarn aus konnte man direkt in ihr Schlafzimmer sehen. Gerade konnte sie noch erkennen, wie sich jemand – wie ertappt – schnell hinter dem Vorhang versteckte und mit einem Satz sprang sie vom Bett weg, stellte sich an die Wand und liess so schnell wie möglich den Rollladen herunter. Sie konnte ihr Herz bis in den Hals schlagen spüren und die Schamesröte schoss ihr ins Gesicht.
Noch immer stand sie an der Wand und wagte sich nicht zu rühren. Ihr Atem ging schnell und sie dachte ‚Um Gottes Willen, nicht der Nachbar, ausgerechnet der‘. Ein älterer, schäbiger Typ, den sie schon länger im Verdacht gehabt hatte, dass er sie beobachtete. Aber nie hatte sie ihn gesehen an seinem Fenster und sowieso hatte sie am Abend immer den Rollladen unten – nun, ausser heute. Auf der Strasse grüsste er immer irgendwie schleimig, besonders wenn seine Frau nicht dabei war. Und nun hatte er sie nackt gesehen, ausgerechnet der, hatte gesehen wie sie sich genüsslich eincremte, mit ihren Händen über ihren Körper strich. Ein Schauer lief über ihren Rücken, als sie sich nun vorstellte, wie er in seiner alten Trainingshose hinter seinem Vorhang stand und sie beobachtet hatte. Wie sich sein dicker Penis langsam mit Blut füllte und er zitternd vor Erregung eine Hand in die Hose steckte, während er ihr dabei zuschaute, wie ihre Hände über ihre Kurven glitten und die Lotion verteilten.
Langsam beruhigte sich Cleo im Schutz des geschlossenen Rollladens wieder und öffnete nun endlich ihren Schrank. Was sollte sie anziehen? Sie hatte wirklich keine Zeit mehr, dumm herumzustehen. Während sie sich das überlegte und so versuchte auf andere Gedanken zu kommen, konnte sie trotzdem nicht aufhören an diese Situation zu denken und verspürte eine ungewohnte Nervosität. Ihr Unterleib verkrampfte langsam und sie stellte zu ihrer Überraschung fest, dass sie erregt war. Verwirrt schlüpfte sie in ihre Klamotten. Irgendwie passte dies alles nicht, wie konnte sie erregt sein? Insbesondere da der Nachbar ein echt schäbiger Kerl war, den sie in 100 Jahren nicht in ihre Nähe gelassen hätte? Doch es war so und sie brauchte sich gar nicht zu belügen – es hatte sie erregt. Unwirsch schob sie die Gedanken endlich beiseite, zog sich rasch fertig an, verliess das Haus -und immer noch etwas verunsichert und verwirrt – ging sie zu ihrer Verabredung.