Schulzeit 4
Aus dem Netz, für das Netz.
Kapitel 4
Probleme
Ich setzte mich auf und schaute sie an. „Nein, wie kommst du denn
darauf?“
„Na, weil Julietta gestern hier war und dich heute angerufen hat.
Normalerweise läßt die doch keinen Jungen näher als einen Meter an
sich ran. Unter uns Mädels behaupten schon einige, sie wär ’ne Lesbe.
Und dann… dann ist es so, daß du mich überhaupt nicht mehr
beachtest…“
Was waren dann das für Ausdrücke? Lesbe!
Ich zog sie in meine Arme und küßte sie auf die Wange. „Ach Schatz,
ist doch gar nicht wahr.“
„Doch, das ist wahr. Du behandelst mich die ganze Zeit wie ein kleines
Kind und machst Witze über mich. So wie gestern über meine flachen
Brüste.“ Eine Träne rann aus ihrem Auge.
Ich drückte sie fester. Ach, meine kleine Jenny. Wenn ich doch nur
alles blöde Gelaber zurücknehmen könnte.
„Es tut mir Leid, Spatz. Das war nicht so gemeint. Du bist noch jung.
Deine Brüste wachsen bestimmt noch. Wenn sich Mamis Gene durchsetzen,
wirst du dich irgendwann über einen zu großen Busen beschweren.
Außerdem ist die Größe der Brüste nicht alles. Mir zum Beispiel ist
die Größe, Form und Farbe der Brustwarzen viel wichtiger. Und deine
sind wirklich wunderschön.“
„Echt….? Ach, das sagst du doch nur so. Wenn du mich mal zufällig
nackt im Bad siehst, bin ich doch absolute Luft für dich“
„Meine liebe Jennifer. Erstens passiert das bestimmt nie zufällig.“
Ich sah ihr tief in die Augen und sie wurde knallrot. „Zweitens sehe
ich dich mit den Augen eines Bruders. Ich kann mich ja wohl schlecht
vor dich hinstellen und anfangen, deinen Körper wie ein Gynäkologe zu
betrachten, oder?“
Sie wollte sich aus meinen Armen winden.
„Warte bitte. Du bist ein wunderschönes Mädchen Jenny. Wirklich
wunderschön. Und ich habe dich unheimlich lieb. Aber als Bruder, ok?
Du kannst mit mir über alles reden, mir alle Fragen stellen. Ich werde
dir immer zuhören und alles wird bei mir wie in einem Tresor
verschlossen sein.“
Sie beruhigte sich und sah mir in die Augen. „War mein Verhalten so
offensichtlich?“
Ich lachte. „Oh ja mein Spatz. Aber das macht nichts. Wir sind
Geschwister. Wir müssen keine Geheimnisse voreinander haben.“ Fast
keine jedenfalls.
Ich strich über ihre Haare. Sie war wirklich sehr hübsch. Das genaue
Stereotyp einer kleinen rothaarigen Hexe, mit ihrer hellen, mit
Sommersprossen übersäten Haut und den smaragdgrünen Augen.
„Was ist den mit dir los, daß du meinst, dich nackt vor mir zeigen zu
müssen?“ Sie wurde wieder rot.
„So war das ja nun auch wieder nicht…“ Lügnerin. „Es ist halt
einfach so: Wenn ich mir die anderen Mädchen aus meiner Klasse
anschaue, die sind alle viel weiter als ich. Fast alle haben schon
große Brüste. Einige sind schon keine Jungfrau mehr und ich habe noch
nicht mal einen Zungenkuß gekriegt.“
Hallo?
„Hör mal kleines Fräulein. Das ist doch alles Käse. Das mit der Größe
der Brüste haben wir ja geklärt. Und das andere? Meinst du es kommt
nur darauf an, mit irgend jemand ins Bett zu gehen und deine
Jungfräuligkeit zu verlieren? Ich halte nun wirklich nichts davon, bis
zur Ehe mit dem ersten Mal zu warten. Aber erstens bist du erst
dreizehn und dann kannst du auf keinen Fall alles glauben was dir die
anderen erzählen.“
Obwohl ich wußte, daß da welche waren, die sich in dem Alter schon von
der halben Burschenschaft des Dorfes hatten flachlegen lassen.
„Aber alle sagen, daß es so schön wäre, viel schöner als…..“
„Schöner als was?“ Sie wurde wieder rot und druckste rum.
„Na schöner als… Du weißt schon!“
„Du meinst, als es selber zu machen.“
Sie nickte verschämt. Soso. Meine kleine Schwester. Obwohl es mich
weniger befremdete als bei Maike. Irgendwie hatte ich es schon geahnt.
Klar. Sie war ja ein normal entwickeltes Mädchen. Warum sollte sie
weniger Lust haben als ich? Und ich hatte auch nicht später
angefangen.
„Ich weiß nicht ob es besser ist. Aber ich nehme es mal an. Das ist
aber kein Grund es einfach mit irgend einem x-Beliebigen zu tun.“
Sie sah mich mit großen Augen an. „Du hast noch nicht….?“
„Nö, ich hab‘ noch nicht!“
„Ja aber, du hast doch so oft bei deinen Kumpels übernachtet, nach den
Feten. Und da waren doch immer Mädchen dabei.“
„Ääähhh, pfui Geier. Die hätte ich mit der Kneifzange nicht angefasst.
Meinst du, ich Ekel mich vor gar nichts? Nee nee, ich nicht. Da waren
schon so’n paar Allesfresser da, die mit den Tussis mitten im
Matratzenlager rumgemacht haben. Aber auf so was hab ich keinen Bock.
Bäähhh.“
Sie kicherte. „Stell ich mir auch blöd vor. Aber ich wollte ja auch
nicht mit irgend jemand auf ’ner Fete sondern….“
„Sondern..?“
„Na ja…“ Sie sah mich an.
„Jenny, du bist verrückt. Echt. Du hast’n Knall. Niemals! Du bist
meine Schwester und damit basta. Darüber gibt’s keine weitere
Diskussion. Und jetzt muß ich schlafen. Sonst bin ich morgen total
zermatscht. Magste noch’n bisschen kuscheln?“
Sie nickte zerknirscht, legte sich vor mir ins Bett und kuschelte sich
an mich. Wie in früheren Zeiten. Bis sie anfing, ihren Po an meinem
Schritt zu reiben. Ich gab ihr einen Klaps auf den Hintern. „Wenn du
nicht aufhörst fliegst du raus, du Luder.“ Sie murmelte was
unverständliches, gab dann aber Ruhe und so schliefen wir ein.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, lag ich wieder alleine im Bett.
So war das früher auch gewesen. Jennifer fühlte sich nachts immer
eingeengt und verzog sich dann halb schlafwandelnd zurück in ihr
eigenes Bett.
Ich hievte mich hoch und schlurfte ins Bad. Dort stand Jenny schon
fast fertig vorm Spiegel.
„Oh, guten Morgen. Gar nicht nackt heute?“ neckte ich sie mit einem
Grinsen.
Sie musterte mich mit zugekniffenen Augen.
Ich gab ihr einen Kuß auf die Stirn. „War nur Spaß…“
Mit einem scherzhaft aufgesetztem arrogantem Gesichtsausdruck
verschwand sie hoch erhobenen Hauptes aus dem Bad, ohne mich noch
eines Blickes zu würdigen.
Ich wusch mir die Haare und versuchte das Gel so zu benutzen wie
Maike es getan hatte. Es glückte mir ganz gut und ging wirklich
schnell.
So machte ich mich auf den Weg zur Schule. Kurz bevor ich in die
Schulstraße einbog, hörte ich hinter mir eine Fahrradklingel. Ich
drehte den Kopf und sah hinter mir Julietta.
Nanu, die war doch normalerweise immer früher. Hatte sie mich
abgepasst?
Ich machte langsamer, bis sie mich eingeholt hatte. Sie fuhr neben
mich und lächelte mich an.
„Hallo“, kam es von ihr etwas ausser Atem.
„Hallo Julietta. Na, noch alles was wir gestern gelernt haben im
Kopf?“
„Ja klar.“ Sie grinste. „Und nicht nur in Kopf. Überall. Habe heute
nacht viel darüber gedacht, was wirr gestern ‚gerlernt‘ haben.“
Wir kamen an der Schule an und stellten unsere Fahrräder ab. Während
ich meins schon abschloß, verabschiedete sich Julietta. „Bis gleich
dann.“
Und weg war sie. Auch gut. Sogar sehr gut. Ich hätte nicht gewußt was
tun, wenn sie mit mir händchenhaltend hätte in die Schule gehen
wollen. Aber wahrscheinlich war da auf ihrer Seite doch etwas Angst
vor der Reaktion ihrer Familie.
Und was wird Maike jetzt tun? Mir um den Hals fallen und mich küssen?
Mit einem etwas flauen Gefühl im Bauch ging ich in Richtung
Klassenzimmer.
Maike saß schon am Tisch als ich eintrat und auch Julietta machte es
sich gerade bequem.
Mit wild klopfendem Herzen näherte ich mich meinem Platz. Maikes
Krücke war nicht mehr da. Sie blickte einmal kurz hoch und…
…durch mich durch. Als wenn es mich nicht gäbe. Nanu? Absicht oder
nicht? Und wenn ja mit welchem Sinn?
Da Julietta aber hier drin ganz ähnlich reagierte, war ich nicht sooo
dolle beunruhigt.
Trotzdem konnte ich mich kaum auf den Unterricht konzentrieren. Als
während der ersten Pause Julietta wie gewohnt zur Toilette ging,
drehte sich Maike um und flüsterte mir mit verführerischem Blick zu:
„Kommst du heute dein Schloß abholen…?“
„Ich werd’s versuchen.“
In dem Moment tauchte Kevin neben mir auf und sprach mich an, obwohl
er die ganze Zeit Maike angaffte. Er war einer der Typen, die
anscheinend krampfhaft versuchten, sich den Tripper bei einer der
Dorfschlampen oder bei den ‚Professionellen‘ in Mannheim zu holen.
Er war unheimlich stolz drauf, wo er sein ‚Gemächt‘ schon überall
verbaut zu haben glaubte. Die meisten Mädchen mochten ihn so gerne wie
eine Warze am Hintern, aber das ignorierte er geflissentlich.
Dümmlich grinste er Maike an als er meinte: „Hey Alfi, sitzt hier
immer so alleine rum. Soll ich dir die nächsten paar Stunden nicht
Gesellschaft leisten?“
„Ach nee, laß mal gut sein ‚Kevi‘. Ich komm‘ ganz gut alleine
zurecht.“
„Du? Hö hö hö. Mit zwei Mädels? Du hast doch bis jetzt noch nicht mal
eine gehabt, du Jungfrau.“
Ich zuckte zusammen, was er natürlich falsch interpretierte. Ich war
nur erschrocken, weil er Maike, Julietta und mich in Zusammenhang
gebracht hatte. Er deutete es als Schwäche.
Er näherte sein schmieriges Gesicht und zischte: „Und nenn‘ mich nicht
‚Kevi‘, klar? Nur weil du dir jetzt Gel in die Haare schmierst und mit
’ner Rockerjacke durch die Gegend rennst, mußt du nicht meinen, daß du
jetzt hier ’ne dicke Lippe riskieren kannst.“
Angst hatte ich keine vor dem Penner. Er war zwar für seine Brutalität
bekannt, aber unbedingt stärker als mich schätzte ich ihn nicht ein.
„Verpfeif dich auf dein Plätzchen ‚Kevi‘. Auf, auf. Sei brav. Mach
sitz.“
Sein Gesicht lief purpurrot an. Bevor er etwas erwidern konnte, hörte
ich eine Stimme neben mir.
„Was will denn den Affe hier? Geh weg…, du stinks.“ Julietta.
Jetzt wurde ‚Kevi‘ käseweiß. Irgendwie lief das alles nicht so, wie er
es sich gedacht hatte. Er wollte gerade etwas entgegnen als Fr. Oller
hereinkam und uns alle zum Setzen aufforderte.
So presste er nur noch ein „Wir sprechen uns noch“ in meine Richtung
heraus und verzog sich.
Julietta setzte sich ebenfalls und fragte Maike etwas. Maike machte
aber nur ein unschuldiges Gesicht, zuckte die Achseln und zeigte mit
dem Daumen über die Schulter auf mich. Julietta sah mich kurz an,
zuckte ebenfalls die Schultern und wandte sich dann dem Unterricht zu.
In der letzten Stunde konnte Julietta noch ihre Kenntnisse in
Geographie beweisen, was sie auch mit Bravour tat. Fr. Welter war
sichtlich beeindruckt und Julietta strahlte wie ein Honigkuchenpferd.
Nach Unterrichtsende liefen wir drei zusammen nach draußen, was
zusammen mit meinem neuen Outfit fast so was wie einen Aufruhr
verursachte. Alle blieben stehen und glotzten mich an. Maike und
Julietta taten als ob nichts wäre. Stumm liefen wir nebeneinander her.
Draußen wartete schon Maikes Mutter um ihre Tochter abzuholen. Auch
wenn Maike keine Krücke mehr brauchte, mußte sie ihr Knie anscheinend
doch schonen. Sie verabschiedete sich von uns, Julietta mit einem
Küsschen, mich mit einem Händedruck, wobei sie mir kurz aber tief in
die Augen blickte.
Julietta und ich wandten uns den Fahrradparkplätzen zu und dort
erwarteten uns schon Kevin und seine Freunde. Ich ging langsam weiter
und blieb kurz vor den Fahrradständern stehen.
Julietta ergriff als erste das Wort: „Was soll der Blöddsinn? Haut
ab.“
„Ooch sie mal an. Klein Alfi hat sich ein Mädchen mitgebracht, das ihn
verteidigt…“
Mit einem Seufzer und einem eindringlichen Blick bedeutete ich
Julietta bitte etwas abseits zu stehen und sich rauszuhalten. Dann
wandte ich mich Kevin zu. Es war echt wie im Kindergarten. Vollidiot.
Ich hatte keinen Bock auf solche vorpubertären Spielchen.
„Was ist los ‚Kevi‘? Wo ist dein Problem?“
Ich hatte ihn schon mehrmals kämpfen sehen. Kämpfen konnte man
eigentlich nicht sagen. Erstens suchte er sich immer vermeintlich
Schwächere aus und zweitens war es seine Art, ohne vorher Worte zu
verlieren einfach zuzuschlagen und so den Überraschungseffekt
auszunutzen.
Aber nicht bei mir. Als ich sah wie er ausholte, wich ich gleich nach
hinten zurück. Er war schnell, aber seine Faust ging ein paar
Zentimeter an meiner Nase vorbei. Was ich nicht bedacht hatte, war die
Hecke aus Buchsbaum, die den Rasen hinter mir in Kniehöhe umgab. So
strauchelte ich, verlor das Gleichgewicht und kippte hintenüber. Im
Reflex riß ich meinen rechtes Bein hoch und hatte Glück im Unglück.
Ich traf unbeabsichtigt voll ins Schwarze. Mein Fußtritt riß Kevin den
Kopf nach hinten und während ich ein Rolle rückwärts über die Hecke
machte, hörte ich von ihm nur ein Gurgeln. Ich kam auf der andern
Seite auf den Knien auf und rappelte mich schnell wieder hoch.
Vor mir lag Kevin auf dem Rücken und versuchte benommen wieder hoch
zukommen. Etwas Blut rann aus seinem Mund. Er war mit dem Oberkörper
fast oben, als er wieder nach hinten auf die Ellbogen stürzte. Er
rollte sich zur Seite, krabbelte ein Stück auf allen Vieren davon und
versuchte aufzustehen. Mit Hilfe eines seiner Kumpanen gelang es ihm
schließlich.
Die anderen schauten mich respektvoll an. Die Aktion mußte wohl recht
spektakulär gewirkt haben und dementsprechend starrten sie mich mit
aufgesperrten Mündern an. Inklusive Julietta.
Ich stieg über die Hecke und wischte mir den Dreck von den Hosen. Nur
cool bleiben jetzt und ja nicht zeigen, daß ich mir vor Aufregung fast
in die Hose geschissen hätte.
„Ist noch was?“
Sie trollten sich, liefen hinter Kevin her. Ich spürte eine Hand auf
meinem Arm. Julietta.
„Ist alles ok?“ Ich nickte.
„Wie hast du das gemacht?“
Ich lächelte sie nur an. Was hätte ich auch erklären sollen. Daß das
Glück mit den Loosern ist? Aber jetzt war ich kein Looser mehr! Die
Mädels hatten mir Glück gebracht.
„Komm, fahren wir.“